Mein kleines (und natürlich höchst subjektives) Konzerttagebuch des aktuellen Jahres, wobei die Veranstaltungen nicht nur in Sucksen stattfanden. Nach und nach werde ich auch noch ca. 12-55 Fotos hinzufügen. Es darf auch gerne kommentiert werden 🙂
…and more 🙂 to be continued!
14.10.2024 Berlin – Huxleys Neue Welt | Godspeed You! Black Emperor, Mat Ball (ausverkauft) | zur liste ↑
Mal wieder ein Ausflug ins (eher ungeliebte) Berliner Huxleys und habe mich aufgrund der diversen „Umstände“ im Vorfeld lange gesträubt, ob ich nun letztlich hingehe oder mein Ticket verkaufe und stattdessen an dem Abend lieber spontan ins Berliner Lido zu Blackbraid, Lamp of Murmuur & Dödsrit gehe. Die Band GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR hatte ich bislang einmal 2018 live im Dresdner Festspielhaus Hellerau gesehen und das war für mich damals eine (körperlich) unglaublich durchdringende und (akustisch) beeindruckende Erfahrung, die ich in dem Genre Postrock sonst eigentlich nur noch bei Auftritten von MOGWAI, MONO, FARGO aus Leipzig, LONG DISTANCE CALLING und mit etwas Abstrichen GOD IS AN ASTRONAUT gemacht habe. Um es kurz zu machen: Das knapp zweistündige Konzert war großartig, die 8 (oder 9, den Filmtechniker einberechnet?) Leute des kanadischen Postrock-Kollektiv (inklusive Geige und stellenweise Kontrabass) spielten fast das komplette neue Album mit meinem absoluten Hightlight „Babys In A Thundercloud“, dazu die großartigen Kompositionen „Cliffs Gaze“, „World Police and Friendly Fire“, „Fire At Static Valley“; das an diesem Abend „Erlebte“ war dabei wieder super intensiv und eindringlich (fand den Sound auch 1a) und ich habe selten so ein ruhiges und bedächtiges Publikum erlebt (zumindest dort, wo ich stand: erst linksseitig vor der Bühne, wo sich auch bei (wie gestern) ausverkauftem Haus meistens noch ein Plätzchen findet und dann bei 2 Stücken hinter den 4 Filmprojektoren hinter dem Mischpult). Kaum bzw. wenig Handyfilmerei und die lautesten Nebengeräusche haben am ehesten noch die Barleute verursacht. Ich bin mir der (Nahost-)“Problematik“ um die Band bewusst (und das ist ja bei denen bzw. Efrim Menuck an sich kein neues Thema) und ich persönlich hänge dieses T-Shirt-Thema auch nicht zu hoch. Mir erschließt sich einfach nicht, warum ausgerechnet bei den Deutschland-Dates „Free Palestine“ steht? Das sollten sie meinetwegen bei Konzerten in Israel machen, die ja eh nie stattfinden. Das wäre dann m.E. konsequent, aber so? Dass dann der Berliner Termin als Offday drauf steht, ist ja fast schon pure Ironie. Ansonsten machen sie ja ohnehin keine Ansagen, es gab vor Ort keine ggf. fragwürdigen Stände und es wurden m.E. auch keine entsprechend „unangenehmen“ Filme auf der großen Leinwand hinter der Band projiziert, wobei das Prozedere mit dem dauerhaften DIY-Durchwechseln der Filmrollen auch interessant zu beobachten war, btw ein sehr stressiger Tourjob wie ich finde. Und in Berlin hätte ich mutmaßlich auch ein schlimmeres Publikum erwartet, was dem aber nicht so war, ich sichtete zumindest keine „From the river to the sea“-Sachen, sondern lediglich ein paar Palitücher. Letztlich müssen das die dem Konzert beiwohnenden Menschen einfach selbst für sich entscheiden, der sich explizit politisch sehenden Band kann ich das ja aufgrund der fehlenden Texte nicht vorwerfen, niemand zwingt mich zum Kauf des Tour-T-Shirts (Wer macht sowas überhaupt freiwillig?) und inhaltliche Bilder zu den Stücken kann sich jeder selbst „vorstellen“. Alle sind verschieden und haben eigene Maßstäbe und (Wert-)Vorstellungen und dafür benötige ich persönlich auch keine eindimensionalen „Botschaften“, wie sie bspw. von Joe Talbot (IDLES) und Bands wie OI POLLOI, THE RESTARTS oder WONK UNIT formuliert werden. Kurzum: Ich habe es im Gegensatz zu dem Berliner Konzert von BIKINI KILL in der Columbiahalle im Juni mit den nervig-fragwürdigen (einseitigen) Ansagen der eigentlich tollen Kathleen Hanna zu dem Thema im Juni in Berlin nicht bereut.
PS: Mat Ball (Mathieu Ball von den wie auch GY!BE aus Montréal stammenden BIG|BRAVE auf Solopfaden) war mit seinen gut 40 Minuten Gitarren-Drone-Spielereien so gar nicht meine musikalische Baustelle. Ich hoffte im Vorfeld auf ein Seitenprojekt von Madball-Freddy mit „Set It Off“ & Co. gehofft, aber dem war letztlich nicht so 😉
17.10.2024 Prag (CZ) – o2 Arena | Nick Cave & The Bad Seeds, The Murder Capital | zur liste ↑
Nachdem ich den Australier mit seiner Band das erste Mal im Sommer 2022 ebenfalls in Prag (im Rahmen des sehr entspannten Metronome-Festivals) gesehen bzw. besser „erlebt“ habe, war klar, dass ich auch bei deren nächsten Auftritt in der goldenen Stadt dabei sein müsste. Die Vorzüge von letzterer gegenüber Städten wie Berlin usw. muss ich glaube ich nicht näher erläutern: viel günstigere Preise (~75€ für das „Front of Stage“-Ticket, das diesmal für den vollen Konzergenuss einfach sein musste und ein in ca. 2 Sekunden gezapftes Bier (tschechische Profiarbeit eben) für 3€ – in Deutschland ja mittlerweile undenkbar). Bei schön sonnigem Herbstwetter ging es ab späten Mittag noch durch die Stadt inkl. Futterei und nach einen ausführliche Besuch im wunderschönen Letná-Biergarten gegen 18 Uhr in einer ca. 10-minütigen Fahrt mit der gelben Metrolinie B direkt zur nahezu ausverkauften o2 Arena. Die Arena ist mir von diversen Konzerten schon vertraut (THE CURE, BJÖRK, SIGUR RÓS, GHOST) und vor Ort ist das (wie in Tschechien eigentlich generell) alles 1a organisiert inkl. kurzer Wege, wenig Wartezeiten etc. Das macht das Ganze schon deutlich entspannter.
Pünktlich 19:15 Uhr standen dann THE MURDER CAPITAL aus Dublin / Irland auf der Bühne, mussten (wie auch wir) mit einem etwas mäßigen Beginn wahrscheinlich erstmal etwas warm werden, aber begeisterten mich zum Ende ihres ca. 45-minütigen Auftritts immer mehr und machten mit ihrem SHAME / IDLES bzw. bisweilen SMITHS-mäßigem Sound definitiv Lust auf mehr. Das aktuelle Album „Gigi’s Recovery“ wird zeitnah gecheckt.
NICK CAVE und seine BAD SEEDS dann ab 20:30 Uhr mit einer fulminanten und über 2,5h-langen Show, die ich so nicht wirklich erwartet hätte. Schon aufgrund des Überraschungseffektes habe ich im Vorfeld nicht das aktuelle Album „Wild God“ angehört und das funktionierte live wunderbar – sie spielten 8 der insgesamt 9 Stücke davon, lediglich „As The Waters Covers The Sea“ nicht. Absolute Highlights waren für mich von dem Album „Cinnamon Horses“, das ausufernde „Conversion“ („You’re beautiful…“), der Opener „Frogs“ (sauguter Einstieg, um das Publikum direkt mit dem ersten Ton mitzureißen), dazu das unter die Haut gehende „O Children“ sowie mit dem fünften Stück des Abends „Jubilee Street“ die erste musikalische Eruption des Abends, die einfach nur der Wahnsinn war; pure Gänsehaut dann auch beim Solo-Pianostück „I Need You“. Der Australier und sein kongenialer (Band-)Kollege Warren Ellis hatten das Publikum absolut im Griff und das dankte ihm (nahezu) ehrfürchtig, in den ersten Reihen wie gewohnt die absoluten „die hards“ und ich warte nur darauf, dass Mr. Cave endlich mal zum Stagedive ansetzt 😉 Ansonsten muss ich zugeben, dass ich mit Teilen seiner Auftritte schon etwas hadere, gerade dieses spirituell-exzessive, mitunter theatralisch wirkende Auftreten ist mit Sicherheit Geschmackssache, aber die persönlichen (biografischen) Lasten, der er zu schultern hat, lassen das nahezu vergessen. Und ich glaube, der Mann lebt das und inszenziert sich da auch nicht unbedingt im Sinne reiner Effekthascherei: die kreativen Auswüchse geben ihm und „seinen“ BAD SEEDS da ohnehin recht. Die Gospelchöre von vier Leuten erzeugten Gänsehaut und das ist sonst überhaupt keine Musik für mich – hier passte es 100%. Es war ein beeindruckendes Konzert oder auch eine musikalische Messe, die lange nachhallen wird. Zum Ende hin kamen noch die unvermeidlichen „Red Right Hand“ sowie das immer fantastisch zu erlebende bzw. sehr eindringliche „The Mercy Seat“ und ich persönlich vermisste lediglich „The Ship Song“. Mr. Cave bedankte sich noch artig in alle Bereiche der Halle, wobei ich dort echt nicht wirklich im obersten der insgesamt drei Ränge sitzen würde (Opernglas?). Zurück in die Stadt, Pizza auf die Hand, letztes Bier in die Pfote und 1 Uhr fuhr pünktlich der Fernbus nach Hause. Ein absolutes Highlight bei meinen bis dato 80 erlebten Konzerten in diesem Jahr: Well done Mr. Cave, gerne nochmal!
Die letzten drei sind vom lieben P., besten Dank dafür 🙂
16.11.2024 Dresden – „Cold Hearted“-Festival @ Alter Schlachthof | Kite, Linea Aspera, Ultra Sunn, Rue Oberkampf, Rendez-Vous, Kalte Nacht (ausverkauft) | zur liste ↑
Bei der Erstauflage 2022 war ich damals leider nicht zugegen (u.a. mit LEBANON HANOVER, BLEIB MODERN, BUZZ KULL, RUE OBERKAMPF, THE KVB, SELOFAN etc.), dafür aber im letzten Jahr, wo ich v.a. KONTRAVOID, DIE SELEKTION sowie die (Exil-)Russen PLOHO überragend fand (die mir allesamt bis zu diesem Abend unbekannt waren) und SHE PAST AWAY als Headliner sowieso klargingen. Dieses Jahr in der dritten und ebenfalls ausverkauften Auflage also wieder nicht in schwarze Schale geworfen und pünktlich 17 Uhr im Alten Schlachthof auf der Matte gestanden. Wie in den Vorjahren bestand das „Dilemma“ hier, dass 10 der 11 Bands immer mehr oder weniger gleichzeitig spielen (jeweils eine Band im großen und die andere eben im kleinen Saal) und realistisch betrachtet dadurch nur 6 Bands komplett angeschaut werden konnten. Kurzum: entscheidungsunfähige Menschen wie ich stellt das dann vor enorme Herausforderungen (…some kind of luxury problems…) und ich wärmte das Konzept des letzten Jahres erneut auf: Also nicht zwischen Bands hin- und her zu jagen, um von allem zumindest „etwas“ zu hören, sondern lieber eine Band, die mir (wenn es passt auf Anhieb) gefällt, komplett anzuschauen und die andere zeitgleich spielende Band sozusagen auszublenden / zu ignorieren, was im Großen und Ganzen für mich auch wieder ganz gut funktioniert hat. Im Vorfeld bekannt waren mir eigentlich nur RUE OBERKAMPF, LINEA ASPERA sowie ULTRA SUNN und vom Rest wollte ich mich vor Ort überraschen lassen. Diese drei genannten standen auf der Liste und spielten auch nicht zeitgleich. Zuerst also KALTE NACHT aus Griechenland im kleinen Saal, die direkt erstmal fulminant das Festival eröffneten. Gesanglich erinnerte mich Myrto bisweilen an Leah Lane der großartigen ROSENGARDEN FUNERAL PARTY (btw gerne am 15.11.25 an selber Stelle zum dann vierten CH-Fest), sehr eingängig, abwechslungsreich, tanzbar und die Band im Allgemeinen für die völlig zurecht erbrachten Zuneigungen bzw. Ovationen sehr dankbar wirkend. Sehr punkige, fast schon krachige Klänge schallten dann aus dem großen Saal, den RENDEZ-VOUS aus Frankreich ordentlich zuballerten (der Sound war da eher so semi) und einen interessanten Stilmix darboten, da gefühlt kein Lied wie das nächste klang (von Cold Wave über Post-Punk bis fast schon Hardcore bzw. auch Oi!-mäßigen Singalong-Stücken, wobei v.a. dieses „Distance“ nachhaltig hängenblieb), was ich hiermit als ausdrückliches Kompliment meine. Gerade im Kontext Cold Wave / Post-Punk gibt es ja öfters so Kapellen, die schematisch ganz schön festhängen. Das war ein sehr interessantes, enorm abwechslungsreiches Set mit Gesang von unterschiedlichen Sängern und im Allgemeinen finde ich es echt gut, wenn zwischendurch auch mal eine „richtige“ Band als „nur“ Duos mit Gesang & Synthesizer auf der Bühne stehen. Das gehauchte „Free Palestine“ vom zeitweiligen Sänger mit BATHORY-Longsleeve klammere ich jetzt mal dezent aus…anderes Thema (was später am Abend leider noch bedeutsamer wurde). RUE OBERKAMPF aus München wurden mir dann (völlig zurecht) ans Herz gelegt und auch die waren einfach nur grandios, wesentlich „elektronischer“ und fast schon discotauglich: Gerade diese musikalischen Kontrast machen dieses kleine Festival aus. Nach diesem erneuten Highlight schaute ich noch den Beginn von TWIN TRIBES im großen Saal an, die duchaus zu gefallen wussten, mir aber dann nach paar Stücken fast schon zu „gefällig“ waren (Robert Smith gefällt das? TWIN TRIBES wären auf jeden Fall eine adäquate Vorband für THE CURE.). Das war tatsächlich sehr fernab von schlecht, aber da ULTRA SUNN aus Belgien im kleinen Saal einige Minuten später spielen sollten, wurde der Raum gewechselt. Nach einem etwas zögerlichen Start wurde ich mit dem Trio von Lied zu Lied mehr warm und am Ende war es pure Begeisterung, was bei Hits wie „Keep Your Eyes Peeled“ sowie „Night Is Mine“ als letzte zwei dargebotene Stücke auch nicht sonderlich verwunderlich ist. Das Publikum gefühlt in purer Ekstase, einzig den an Dave Gahan erinnernden (halligen) Gesang fand ich etwas zu leise abgemischt, ansonsten très bien. Danach folgten dann wiederum im großen Saal LINEA ASPERA aus UK/Australien, die ich im Vorfeld häufiger gehört hatte und auch live vor reichlich Publikum ordentlich (tanzbar) zündeten. Leider ließ sich die Sängern zu einem „From the river to the sea“ samt Blabla-„Statement“ hinreißen, was den hinterlassenen Eindruck leider zunichte machte…wäre ich bloß mal besser vorher (wie eigentlich geplant) aufs WC gegangen. Ärgerlich, aber zumindest das Bankonto freut sich, denn dadurch steht im LP-Regal eine Platte weniger. KITE waren dann ab 23:15 Uhr als (soweit ich weiß) „Ersatz“ für die eigentlich geplanten LEBANON HANOVER quasi der Festival-Headliner mit mehr als einer Stunde Spielzeit. Musikalisch war das nicht verkehrt, dazu eine fett aufgefahrene Licht- und Effekteshow, aber der einsetzende Gesang war so gar nicht meine persönliche Baustelle. Brian Molko von PLACEBO ließ da einfach zu sehr grüßen und die müden Knochen wurden dadurch keineswegs munterer, so dass dann nach ca. 2/3 von deren Set der Heimweg angetreten wurde. Alles in allem waren das sieben größtenteils echt schöne Stunden, die sehr schnell vergingen (das vor Ort angebotene „Bier“ mal dezent ausgeklammert) und ohne „Wertung“ blieben letztlich quasi TWIN TRIBES (bis auf 3-4 Lieder zu Beginn), SYDNEY VALETTE (0), DEUS EX LUMINA (0), SOFT VEIN (bis auf die letzten 2 Lieder) sowie TEMPERS (1 Lied) auf der Strecke. Nächstes Jahr dann (z.B.) bitte gerne LEBANON HANOVER, NÜRNBERG (die dieses Jahr leider krankheitsbedingt sehr kurzfristig abgesagt haben), TRAITRS, BOY HARSHER, SOFT KILL, FRUSTRATION, SKEMER, KONTRAVOID, SHADOWHOUSE, TRUE MOON, TR/ST, BLEIB MODERN und die bereits genannten ROSEGARDEN FUNERAL PARTY.